Donnerstag, 17. November 2016

Ambitionen



Mir ist kalt. Ich bin müde. Ich kann nicht mehr. Alles schmerzt – der Nacken, die Schultern, die Oberschenkel, die Waden. Je n’ai pas de jambes, sagt der Franzose. Meine Finger sind erstarrt. Ich will mich nicht bewegen. Ich will heim.

Ein letztes Spiel. Grau stehen die Wolken über der matschigen Fläche, die einst von Rasen bedeckt war. „Allez, les filles!“, ich trabe durch das von tiefen Furchen durchzogene Spielfeld. „Nous attaquons!“ Jeder auf seinem Platz. Pfiff.

Und plötzlich ist es wieder da. Dieses Gefühl. Meine Lungen weiten sich, Luft strömt durch mich hindurch, ich spüre mein Blut durch die Gefäße rauschen. Ich spüre mich. Sprint, tiefgehen, tackeln, aufstehen, anbieten. „Je l’ai, je l’ai!“ Sprint, tiefgehen, tackeln, aufstehen. Ich spüre mich. Tackeln, Foul, Pfiff. Gedränge für den Gegner. Wir stehen uns gegenüber. Angesicht zu Angesicht. Es gilt. Auge um Auge, Zahn um Zahn. „Flexion, Liaison, Sortie!“ Sprint. Stollen bohren sich in den Lehm, Matschklumpen wirbeln durch die Luft. Schreie, dumpfes Klatschen, Körper gegen Körper. Tiefgehen, tackeln, aufstehen, Pass. „Suis là, là, droite, droite!“ Pass, Pass, Versuch. Ich bin frei.

Ein Gefühl von Leichtigkeit durchfließt mich. Ich spüre es. Heißer Schweiß auf meiner Stirn, weicher Matsch bedeckt meine Haut. Kühle Luft in Rachen und Nase. Ein weites Herz, die Arme offen den Gegner zu begrüßen. Sprint, tiefgehen, tackeln.

Mir ist kalt. Ich bin müde. Ich kann nicht mehr. Ich will nicht heim.