Dienstag, 21. November 2017

Alles was wir geben mussten



Es ist schon eine merkwürdige Zeit,
kurz vor dem Ende, aber doch noch entfernt.
Zwischen Herbst und Winter,
die Bäume sind noch belaubt, doch die Pfützen gefroren.
5. Semester, kurz vor Zapfenstreich,
das Auszugsdatum schon festgelegt.

Es ist schon eine merkwürdige Zeit,
so zwischen den Dingen.
Nichts Halbes, nichts Ganzes,
nicht Fisch noch Fleisch. 
Weiß nichts mit mir anzufangen.
Wort des Tages: Instabilität.

Es ist doch eine merkwürdige Zeit,
geteilt, zerrissen, zerrieben.
Regierungsunwillige Parteien, Flucht vor Verantwortung,
Gewählte Vertreter, die mit der Demokratie spielen.
Wie soll ich meine Zukunft bauen, mich auf etwas verlassen,
wenn mich das Gefühl latenter Bedrohung umgibt?
Die Angst vor dem Kippen, untergründig, doch präsent.

Es ist schon eine merkwürdige Zeit.

Montag, 20. November 2017

Pasta



Mit einem lauten Klirren fällt die Glasflasche auf den Boden, und die braunrote Bolognese-Sauce ergießt sich auf die schmutzig-grauen Fliesen. Mindestens drei weitere Einkäufer drehen sich um, und ich merke, wie ich knallrot anleuchte. Ein wandelndes Stoppschild. Ich fluche. Erst auf Deutsch, dann Französisch. Als ob dieser Tag nicht schon stressig genug wäre, vielen Dank liebes Karma!

Montag, 25. September 2017

Ode an die Freunde



Lange Nacht. Viel geredet, noch mehr getrunken. Auch genuscheltes Französisch kann man verstehen. Zu 5 in einem Renault Kangoo, genauso viele auf dem Damenklo. Vodka-Coke to go. Lächeln, Lachen, Gelächter. Geteilte Zigarette. "Tu sais, je fume pas, moi, seulement avec des amis." Geliehene Sneakers, verlorene Jacken. Mit 110 durch die Nacht. Küsse auf der Rückbank. Geteiltes Leid, geteilte Freude, geteiltes Bett, wenn der Weg nach Hause zu lang ist. Arm in Arm, Hand in Hand. Gespräche bis die Wolken wieder lila sind. "Je suis vraiment bourrée, les filles." Döner nachts um vier, ein Kühlschrank für alle. Laute Musik für das ganze Viertel. Schlechtes Englisch, gegrölte Refrains. Freiheit. Vertrauen. Sprung ins Wasser, Grillen am See, Würstchen mit Melone und Bier. "Je t'aime trop, t'es vraiment un ami de top!" Zurechtgemacht, ungeschminkt. Wahrheit. Fluchen und schwören. Gemeinsames Lernen, Hilfe bei den Hausaufgaben. "Est-ce que ca se dit?" Erinnerungen, Fotos, textos. Mi casa es tu casa. Freundschaftsbänder, Freundschaftslieder. Abholen und wegbringen. Ankommen, zuhause sein.
Merci.
                                                 

Montag, 18. September 2017

Dear Mr. President


Dear Mr. President.

Sie sind gewählt worden von dem Volk, dessen Vorfahren einst auf die Barrikaden ging.
Liberté, égalité, fraternité – das sind die ersten drei Worte auf Französisch, die ich gelernt habe.
Liberté, égalité, fraternité – das ist der Inbegriff einer solidarischen und demokratischen Gesellschaft.
Liberté, égalité, fraternité – und jetzt?

Dear Mr. President.
Schauen Sie sich um. Wer steht neben Ihnen? Wer lächelt mit Ihnen in die Kamera?
Ich sehe Männer wie Trump, Putin, Erdogan. Diese Männer machen mir Angst.
„Schwule Propaganda“, also die Äußerung pro-LGBT ist in Russland verboten.
In den USA sind Gesetze für die juristische Gleichstellung von Trans*-Menschen, besonders im Militär dabei zu kippen. Ganz zu schweigen von der Diskriminierung von Einreisenden aus muslimischen Staaten.

Dear Mr. President, was sagen Sie dazu?
Suchen Sie den Dialog? Verurteilen Sie scharf? Rufen Sie dazu auf, es anders zu machen?
Lassen Sie auf Worte Taten sprechen?
Monsieur le Président, beschützen Sie mich und meine Rechte?
Monsieur le Présidnet, schützen Sie ihr Volk? Oder nutzen Sie es?

Auch in Deutschland wird gewählt, und der Ruck nach Rechts ist deutlich spürbar.
Stichwort „Stolz sein auf Taten der Wehrmacht in den zwei Weltkriegen“.
Stichwort „Islamisierung Deutschlands“.
Stichwort „Lügenpresse“.
Dear Mr. President, are you with us?
Wie sieht Ihr Frankreich aus?

Dear Mr. President. Schaffen wir das?